Für die Erstellung der Gutachten hatten die ermittelnden Behörden Professor Dirk Labudde von der Hochschule Mittweida beauftragt. Der Forensiker hat die als »Photogrammetrie« bezeichnete Methode zur Erstellung von personenspezifischen, digitalen Skeletten weiterentwickelt. Allerdings funktioniert die Methode nur, wenn brauchbares Bild- und Videomaterial zum Abgleich zur Verfügung steht.

Hanna S. sollte für die Zwangsvermessung »in kurzer Sporthose oder Boxershorts und mit ärmellosem Top« erscheinen, berichtet die Münchener Soligruppe »Alle Antifa«. Wie demütigend die Methode verlief, schilderte die Angeklagte demnach vor Gericht: Im Gefängnis habe sie auf einen Besuch gewartet, als die Wärterin mitgeteilt habe, sie müsse »noch kurz zum medizinischen Dienst«. Dass es zur Vermessung gehen sollte, sei ihr nicht mitgeteilt worden.

In einem Raum mit zwei Wärterinnen und zwei vom Professor beauftragten Studentinnen sollen von Hanna S. zunächst Fotos mit ihrer Anstaltskleidung gemacht worden sein. Anschließend sei sie auf eine Liege gelegt und bis auf die Unterhose entkleidet worden, bevor die Mitarbeiterinnen Markierungen an ihrem Körper angebracht und sie für weitere Bilder auf einen Drehteller gestellt hätten. Vor Gericht nannte Yunus Ziyal, einer der beiden Rechtsanwälte von Hanna S., die Prozedur einen »tiefen Eingriff in ihre Privatsphäre«. Zudem seien Fotos ohne Oberbekleidung aufgenommen worden – die richterliche Anordnung deckte dies nicht.

Labudde nennt seine Methode »digitaler anthropometrischer Rig-Vergleich«: ein technisches Verfahren, bei dem aus Foto- oder Videomaterial von einem Tatort dreidimensionale Modelle der aufgenommen Personen erzeugt werden. Daraus werden »digitale Skelette«, sogenannte »Rigs«, extrahiert. Diese werden mit den Konturen der zu vermessenden Tatverdächtigen verglichen. Labudde formuliert am Ende eine Wahrscheinlichkeitsaussage über mögliche Übereinstimmungen.