Archiv-Link

Die Arbeiter im Warehouse der Firma Clevy Ltd in Wien-Floridsdorf berichteten von schonungsloser Ausbeutung. Bis zu zehn Stunden täglich, vielfach ohne Pausen, hätten sie Pakete mit Rücksendungen des chinesischen Billigversands Temu geschleppt und sie versandfertig gemacht, bei kargem Lohn und ohne basale Sicherheitsvorkehrungen.

[…]

Neun bis zehn Euro pro Stunde, mehr nicht, habe die Schwerarbeit im Dienste des boomenden Onlinehandels den Beschäftigten eingebracht: jungen Männern und Frauen aus Ländern wie Indien oder Georgien, die in den meisten Fällen keine gültigen Arbeitsbewilligungen hatten.

[…]

Ehemalige Clevy-Insider und Beschäftigte […] beschrieben Arbeitsbedingungen, die an jene in den Fabriken des 19. Jahrhunderts erinnern. Sie erzählten von systematischer Steuer- und Sozialabgabenvermeidung durch Clevy Ltd, eine global agierende Firma für grenzüberschreitenden E-Commerce mit Sitz im englischen Farnham sowie Holdings auf den Caiman-Inseln und in Hongkong.

[…]

Recherchen brachten zutage, dass sich das rücksichtslose Vorgehen nicht auf Österreich und die Schweiz beschränkt. Im Windschatten des massiv expandierenden chinesischen Bestell-App-Geschäfts, das auf niedrige Preise für oft schleißige und manchmal sogar gefährliche Produkte setzt, hat Clevy sein Geschäftsmodell von Frankreich bis Slowenien ausgerollt: Kostengünstige Business-to-Consumer-(B2C-)Paketlieferungen und Retouren durch extremes Lohndumping unter Zuhilfenahme des Grazer Subunternehmens Wherhouse Eleni GmbH, das in mehreren Ländern tätig ist.

[…]

Ein Clevy-Mitarbeiter sei nicht bei der Sozialversicherung angemeldet gewesen […] Die outgesourcten Lagerarbeiterinnen und Lagerarbeiter wiederum hätten großteils angegeben, als Freelancer, also selbstständig, tätig zu sein. “Aufgrund der Sachlage war aber schnell klar, dass die Personen nur zum Schein selbstständig tätig waren”, schreibt das Finanzministerium.

[…]

Über den Sommer hatten sich auch […] Hinweise auf Schwarzarbeit und ausbeuterische, gefährliche Arbeitsverhältnisse bei Clevy in Eglisau in der Schweiz gemehrt. Ein Betroffener schilderte ihr, er habe nach seinem dortigen Ausscheiden kein Recht auf Arbeitslosengeld gehabt, weil ihn Clevy nicht sozialversichert habe. Sicherheitsschuhe, um gefahrlos mit den schweren Paketen hantieren zu können, habe es im Warehouse nicht gegeben, auch sei er der einzige Mitarbeiter mit einem Gabelstapler-Führerschein gewesen.

Am 18. August kontrollierten Behörden des Kantons Zürich das Eglisauer Lager. Seitdem sind auch in der Schweiz Ermittlungen gegen Clevy am Laufen. In Frankreich wiederum steht zeitnah ein Gerichtsverfahren wegen Mehrwertsteuerhinterziehung bei der Verzollung von Temu-Paketen durch den dortigen Clevy-Ableger Clevia an. Die Firma soll Leistungen in Hongkong verrechnet haben, die in Wirklichkeit in Frankreich erbracht worden seien.

  • Akelei@discuss.tchncs.de
    link
    fedilink
    arrow-up
    3
    ·
    12 days ago

    Ich bin beeindruckt ob der schönen österreichischen Wörter

    OT: echt erschreckend, so ein System sollte man nicht unterstützen (und außerdem gibt es noch zahlreiche andere bekannte Gründe nicht bei Temu, Shein und Co zu bestellen).

  • remon@ani.social
    link
    fedilink
    arrow-up
    3
    arrow-down
    1
    ·
    12 days ago

    Schon unverschämt wie die einfach Amazon’s Geschäftsmodel geklaut haben!

    • Hotznplotzn@lemmy.sdf.orgOP
      link
      fedilink
      English
      arrow-up
      1
      ·
      12 days ago

      Das kann man so sehen. Während aber Amazon dafür völig zu Recht kritisiert wird, ist das bei Temu oftmals nicht so, vor allem nicht hier im Lemmyverse. Es gibt viele, die Temu sogar verteidigen und froh sind, dass es so billig ist. Die negativen Folgen dieser Geschäftsmodelle wird komplett ausgeblendet.

      Warum ist das so?

      • remon@ani.social
        link
        fedilink
        arrow-up
        1
        ·
        edit-2
        12 days ago

        Amazon wird trotz Kritik aber trotzdem von vielen genutzt weil es halt bequem ist. Also nimmt man diese Arbeitsbediengungen eh schon in Kauf. Warum dann nicht billiger bei Temu einkaufen? Dann bekommt zumindest der Bezos nichts.

        Und ausserdem is Lemmy grundsätzlich voller China fanboys.

        • Hotznplotzn@lemmy.sdf.orgOP
          link
          fedilink
          English
          arrow-up
          2
          ·
          12 days ago

          Das ist eine sehr seltsame Begründung. Die “China Fanboys” nennen das, glaube ich, Heuchelei und Doppelstandards.

          Verdienen tun bei Temu mittlerweile einige, nachdem die Muttergesellschaft PDD an der US-Börse Nasdaq notiert. Temu-Gründer Colin Huang - ein ehemaliger Google-Mitarbeiter, der mitgeholfen hat, Google-China zu implementieren - ist aber nach wie vor Mehrheitseigentümer und verdient am meisten. Es gibt mehrere Quellen, die sein Vermögen schätzen, es sind aber wohl mehr als 40 Milliarden Euro.

          Andere PDD-Großaktionäre sind die üblichen Verdächtigen: Der weltweite größte Fonds BlackRock und die Nummer zwei, Vanguard, beide aus den USA, sowie Baillie Gifford, eine private Investmentgesellschaft aus Großbritannien. Dazu kommen ein paar Investmentfonds, Pensionfonds, und natürlich auch Retail-Kunden.

          • remon@ani.social
            link
            fedilink
            arrow-up
            1
            ·
            12 days ago

            Glaube fast jeder ist ein bisschen besser als Bezos. Und bei den Preisen dort kann er nicht soo viel bekommen.